08.10.2019
Klimawissenschaftler warnen vor globaler humanitärer Katastrophe
Auswirkungen eines begrenzten Atomkrieges zwischen Indien und Pakistan schlimmer als bisher befürchtet
Die Abrüstungsorganisationen IPPNW und ICAN Deutschland sind äußerst besorgt über die Ergebnisse einer neuen Studie, die letzte Woche in Science Advances veröffentlicht wurde. Sie zeigt, dass ein begrenzter Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan noch verheerendere Auswirkungen auf unsere Atmosphäre, Klima, Gesundheit und Ernährungssicherheit hätte als bisher angenommen.
Die neue Studie von einer Gruppe Klimatolog*innen, Umwelt- und anderen -Wissenschaftler*innen aktualisiert die bisherigen Ergebnisse, die noch auf Grundlage der damals kleineren Atomwaffenarsenale von Indien und Pakistan kalkuliert wurden. Die aktuelle Studie zeigt, was passieren könnte, wenn es heute oder in naher Zukunft zu einem Atomkrieg kommt, in dem ein Teil der mittlerweile größeren Atomarsenale von Indien und Pakistan beteiligt sind. Die Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit der Abschaffung von Atomwaffen.
Das neue Szenario geht davon aus, dass beide Länder 250 Atomwaffen mit einer Sprengkraft von bis zu 100 Kilotonnen gegen städtische Ziele einsetzen – Pakistan 150 und Indien 100. Als direkte Folge eines Schlagabtausches mit relativ kleinen Atomwaffen - 15-Kilotonnen-Atomwaffen - würden etwa 50 Millionen Menschen sterben. Bei einem Schlagabtausch mit der gleichen Zahl von Atomwaffen, die aber 100 Kilotonnen Sprengkraft hätten, würden in etwa 125 Millionen Menschen umgehend sterben.
Noch katastrophaler wären jedoch die globalen Klimaauswirkungen. Da die Bekämpfung der Brände bei einem Atomkrieg praktisch unmöglich wäre, würde sich der Rauch innerhalb von Wochen global über die Stratosphäre ausbreiten und das Sonnenlicht würde zwischen 20 und 35 Prozent abnehmen. Je nach eingesetzter Sprengkraft würde ein begrenzter regionaler Atomkrieg die globale Oberflächenlufttemperatur daher zwischen 3 bis 5,5 Grad Celsius senken. Diese globale Abkühlung würde zudem zu einem deutlichen Rückgang der Niederschläge führen (im globalen Durchschnitt 20 bis 30 Prozent mit regionalen Schwankungen). Durch kältere Temperaturen verdunstet weniger Wasser aus den Ozeanen und fällt als Regen oder Schnee auf die Erde zurück.
Diese Abkühlung, weniger Sonnenlicht und der Niederschlagsrückgang würden sich auf die globale Nahrungsmittelversorgung viel gravierender auswirken, als in früheren Studien über einen begrenzten Atomkrieg vorhergesagt. Natürliche Ökosysteme und Lebensmittelanbau würden drastisch gestört und führten zu einer Lebensmittelknappheit, die noch viel mehr Menschen gefährden würde, als die ursprünglich kalkulierten zwei Milliarden.
Viele Sicherheitsexperten auf der ganzen Welt haben davor gewarnt, dass die Gefahr eines Atomkriegs wächst. Eine wachsende internationale Bewegung fordert daher einen grundlegenden Wandel in der Atompolitik. Im Jahr 2017 haben 122 Nationen für den UN-Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen gestimmt. Inzwischen zählt der UN-Vertrag für ein Atomwaffenverbot (TPNW) 79 Unterzeichner und 32 Vertragsstaaten. 50 Ratifikationen sind notwendig. Zwei Drittel des Weges zum Inkrafttreten des Atomwaffenverbots ist damit geschafft.
Ein Factsheet mit weiteren Informationen zu der Studie finden Sie unter www.icanw.de/wp-content/uploads/2019/10/2019-10-08_studie-robock-etal.pdf
Kontakt:
Angelika Wilmen, Pressesprecherin der IPPNW, Tel. 030-69 80 74-15, Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)
Anne Balzer, ICAN, Tel. 030 / 54908340, Email: presse@icanw.de