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IPPNW

Fukushima-Newsletter vom 11.5.2012

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

im Nordosten Japans weisen mehrere Schulen weiterhin erhöhte Strahlung auf. Wie die Nachrichtenagentur Kyodo am 7. Mai unter Berufung auf eine Bürgerorganisation in der Stadt Koriyama in der Präfektur Fukushima berichtete, gab es im April auf dem Gelände von mehr als 20 Schulen des Ortes sogenannte Hotspots, an denen die Strahlenbelastung über die Grenze von 20 Milisievert im Jahr steigen könnte. Der US-Sender MSNBC berichtete anlässlich des Jahrestags der atomaren Katastrophe über die Versuche der japanischen Bürger von Fukushima City ihre Stadt zu dekontaminieren. Der Beitrag ist auf der Homepage der Bürgerinitiative Citizen's Radioactivity Measuring Station abrufbar.

Mit freundlichen Grüßen

Angelika Wilmen

Die Lage ist dramatischer als zugegeben

Foto: Takashi Uesugi, Samantha Staudte

In Japan werden Informationen über die Reaktorenkatastrophe von Fukushima zurückgehalten und Messungen verfälscht. Das erklärte der in Japan lebende Journalist und frühere Fernsehmoderator Takashi Uesugi auf einer Veranstaltung der IPPNW, der Gesellschaft für Strahlenschutz und des Deutsch-Japanischen Friedensforums am 13. April 2012 in Berlin. So habe er sich lange gewundert, weshalb seine eigenen Messungen der Ortsdosisleistung immer höhere Werte angaben, als sie den offiziellen Angaben zufolge hätten sein sollen. Dann habe er die Vorbereitungen für die offiziellen Messungen beobachtet: Die Oberflächenerde wurde nach beiden Seiten weggeschaufelt und der Messpunkt mehrmals mit Wasser übergossen, bevor das Messgerät abgelesen wurde. So werde garantiert, dass die Werte unter 0,9 Mikrosievert pro Stunde blieben.

Nichts ist unter Kontrolle in Fukushima

Dr. Sebastian Pflugbeil, Foto: Tsukasa YAJIMA

In den Abklingbecken des havarierten Atomkraftwerks Fukushima lagern bis heute große Mengen heißer Brennstäbe. Nur ein einziges weiteres Erdbeben könnte eine neue Atomkatastrophe auslösen. Vor allem die Entwicklungen in Reaktor 4 lassen nach Ansicht von Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz Schlimmes befürchten: "Da gibt es eine große Badewanne, in der 1500 alte Brennelemente aufbewahrt werden, die mit Wasser gekühlt werden müssen." Wenn die Kühlung wegfalle, würden sich die Brennelemente selbst zerstören. "Dann würde eine gigantische Menge an Radioaktivität  freigesetzt. Japanische Fachleute, also offizielle Stellen, haben abgeschätzt, dass man dann mit Evakuierungen bis zu 250 Kilometern rechnen müsste. Dann wäre auch Tokio betroffen."  Eine Evakuierung der japanischen Hauptstadt mit ihren 34 Millionen Einwohnern hält nicht nur Strahlenschutz-Experte Pflugbeil für ein völlig unlösbares Problem.

IPPNW verlangt Informationen über frühe Gesundheitsfolgen

Foto: Geburtshaus Gomel, Hermine Oberück

Anlässlich des Jahrestages von Tschernobyl und der Atomkatastrophe in Fukushima vor gut einem Jahr hat die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW mehr offizielle Informationen über gesundheitliche Folgen in Japan gefordert. Die Organisation fordert die deutsche Bundesregierung auf, die japanische Regierung um die Übermittlung entsprechender Erkenntnisse zu ersuchen. "Aufgrund der Erfahrungen von Tschernobyl ist zwar erst ab 2014/2015 eine Zunahme von Schilddrüsenkrebs und Leukämie bei Kindern zu befürchten, doch schon jetzt müssten der japanischen Regierung Erkenntnisse vorliegen, ob bestimmte Erkrankungen, Fehlbildungen und Todesfälle bei Neugeborenen gravierend zugenommen haben", betont der frühere Chefarzt der Herforder Kinderklinik, Winfrid Eisenberg.

Abtreibungen und Fehlgeburten

Untersuchung einer schwangeren japanischen Frau, Foto: Flickr

Nach einem Bericht der Internetausgabe der Zeitung Asahi vom 16. April 2012 kommt eine Studie der Medizinischen Hochschule der Präfektur Fukushima zu dem Ergebnis, dass Befürchtungen oder Gerüchte über einen Anstieg der Fehlgeburten und der Abtreibungen nach dem Erdbeben und der Reaktorkatastrophe vom 11. März 2011 unbegründet seien. Die in der Fachzeitschrift Shūsanki Igaku (Perinatalmedizin; No. 3, März 2012) veröffentlichte Studie von Fujimori Takanari und Kollegen basiert auf einer Umfrage bei 81 medizinischen Einrichtungen mit Geburtsabteilungen in der Präfektur Fukushima, von denen 74 Antworten lieferten. Demnach liege je 100 Geburten die Rate der Abtreibungen bei etwa 18, die der Fehlgeburten bei etwa 10. Beide Werte seien leicht höher als vor der Katastrophe, der Anstieg sei jedoch statistisch nicht signifikant. Weshalb der Dezember 2011 unberücksichtigt blieb, ist nicht ersichtlich. Man hätte auch gerne gewusst, in welchen Gegenden die sieben Krankenhäuser liegen, die sich nicht an der Umfrage beteiligten. (aus dem Strahlentelex Nr. 608-609/2012)

Katastrophenschutz nach Fukushima

Berechnete effektive Dosis für Erwachsene durch externe Strahlung und Inhalation über 30 Tage für potentielle Freisetzungen im Oktober 2010, Quelle: BfS-Studie

Seit dem Herbst 2011 liegt dem Bundesumweltministerium eine Analyse des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vor, in der abgeschätzt wird, wie sich eine nukleare Katastrophe der Art, wie sie in Fukushima auftrat, in Deutschland auswirken würde. Nachdem diese Analyse dem Nachrichtenmagazin Spiegel zugänglich gemacht und in der Ausgabe vom 19. März 2012 unter der Überschrift „Die verdrängte Gefahr“ ein verheerendes Bild gezeichnet wurde, ist die Studie nun am 19. April 2012 in dem digitalen Online Repositorium und Informations-System (DORIS) des BfS auch öffentlich zugänglich gemacht worden. (aus Strahlentelex Nr. 608-609/2012)