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IPPNW

Fukushima-Newsletter vom 11.03.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

vier Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima legt die IPPNW eine aktualisierte und erweiterte Abschätzung der gesundheitlichen Folgen von Fukushima vor. Bereits jetzt werden unerwartet viele Schilddrüsenkrebsfälle in den betroffenen Gebieten registriert und in den nächsten Jahrzehnten ist mit zehntausenden zusätzlichen Krebsfällen in Japan zu rechnen. Gleichzeitig versucht die Atomlobby, die Wiederbesiedlung evakuierter Gebiete zu forcieren und setzt damit weitere Menschen dem Risiko aus, an den Folgen von Strahlenexposition zu erkranken. Vier Jahre nach Beginn der Katastrophe spricht auch der damalige japanische Premierminister Naoto Kan über die Tage im März 2011 und erinnert daran, dass es pures Glück war, dass der Wind den radioaktiven Niederschlag nicht Richtung Tokio geblasen hat. Auf dem Kraftwerksgelände von Fukushima Dai-ichi selbst kämpfen derweil die Arbeiter noch immer jeden Tag mit den kontaminierten Wassermengen. Sie tragen dabei ein besonders großes Risiko, an den Strahlenfolgen zu erkranken. Ab April ist eine Langzeitstudie zu den gesundheitlichen Folgen für die Arbeiter geplant.

Wir hoffen, Ihnen anlässlich des vierten Jahrestages der Atomkatastrophe mit diesem Newsletter einen informativen Rundumblick über die aktuelle Situation in Japan und vor allem in Fukushima bieten zu können und danken allen unseren Lesern für ihre Treue und ihr Interesse über die letzten vier Jahre.

Mit freundlichen Grüßen

Henrik Paulitz und Alex Rosen 

Gesundheitliche Folgen von Fukushima – Update 2015

Ayotos Mutter sammelt alle Unterlagen über Untersuchungen und Strahlenbelastung ihres Sohnes, Foto Ian Thomas Ash

Schwerpunkt der quantitativen Abschätzung der zweiten Auflage unserer Publikation „Gesundheitliche Folgen von Fukushima“ sind die zu erwartenden Krebserkrankungen in Japan – sowohl aufgrund externer Strahlung als auch durch die Aufnahme kontaminierter Nahrung. IPPNW-Berechnungen zufolge muss in Japan mit mehreren zehntausend zusätzlichen Krebserkrankungen in Folge der Atomkatastrophe gerechnet werden. Es gibt bereits 117 Verdachtsfälle von Schilddrüsenkrebs, von denen sich 87 nach Operationen bestätigt haben. Diese Zahl übersteigt die Erwartungen der Studienleitung deutlich, so dass ein kausaler Zusammenhang zum radioaktiven Jod-131 nahe liegt, welches durch die Atomkatastrophe freigesetzt wurde. Neu ausgewertet und kritisch bewertet wurden zudem die Kollektivdosisangaben von UNSCEAR, die im Oktober 2014 der UN vorgelegt wurden. Mehr

Rückkehr trotz Strahlenbelastung?

IAEA-Delegation im Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi, Foto: Tepco

Die Region um das Atomkraftwerk Fukushima wurde im Frühjahr 2011 evakuiert. Inzwischen gibt es Planungen für einen Wiederaufbau der Wirtschaft in Gebieten mit einer externen Strahlenbelastung bis zu 50 mSv pro Jahr sowie für eine Wiederbesiedlung in Gebieten mit einer Strahlenbelastung bis zu 20 mSv pro Jahr. Es ist bekannt, dass jede noch so geringe Strahlendosis das Risiko erhöht, Krebs und andere Erkrankungen zu entwickeln. Für die Bevölkerung sollte eigentlich ein Grenzwert von unter 1 mSv pro Jahr zusätzlicher Strahlenbelastung eingehalten werden. Erkrankungen aufgrund von Strahlenexposition werden durch eine solche Politik billigend in Kauf genommen. Hinter diesen Planungen stehen nachdrückliche Empfehlungen der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO vom Oktober 2014, die die japanischen Behörden zu einem sorgloseren Umgang mit den Gefahren von Radioaktivität drängt. Wirtschaftliche Aspekte und der „gute Ruf der Atomindustrie“ sollen Vorrang vor dem Schutz der Gesundheit haben. 

Japans Ex-Premier Naoto Kan vier Jahre nach Fukushima

Naoto Kan auf dem Weltwirtschaftsforum 2011, Copyright by World Economic Forumswiss-image.ch / Photo by Remy Steinegger - Naoto Kan - World Economic Forum Annual Meeting 2011 | Flickr - Photo Sharing!. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons

Der ehemalige Premierminister Naoto Kan ist heute einer der prominentesten Gegner der Atomindustrie in Japan. Als verantwortlicher Regierungschef während des mehrfachen Super-GAUs in Fukushima Dai-ichi hat er noch immer deutlich vor Augen, dass die Atomkatastrophe bei anderen Wetterverhältnissen im März 2011 noch viel verheerendere Folgen hätte haben können. Menschen hätten beispielsweise aus einem Umkreis von bis zu 250 km evakuiert werden müssen – inklusive des Großraums Tokio mit seinen 38 Millionen Einwohnern. „Solche kolossalen Schäden treten normalerweise nur nach einer vernichtenden Kriegsniederlage auf“, so Kan. Für Japans zukünftige Energieversorgung setzt er  auf Öl, Erdgas und erneuerbare Energien statt auf die veralterten Atommeiler. 

Der Kampf mit dem kontaminierten Wasser

Arbeiten am Eiswall

Noch immer kämpft der Fukushima-Betreiber Tepco mit dem Problem kontaminierten Kühlwassers. Da der Kernbrennstoff in den havarierten Reaktoren kontinuierlich gekühlt werden muss, fallen täglich geschätzte 700.000 Liter kontaminierten Wassers an. Von diesen fließen Schätzungen von Tepco zu Folge ca. 300.000 - 400.000 Liter jeden Tag unkontrolliert ins Meer. Der Rest kann abgepumpt und in den Tanks auf dem Kraftwerksgeländer gesichert werden. Rund 590 Millionen Liter radioaktiv kontaminiertes Wasser lagern bereits in riesigen Behältern auf dem Kraftwerksgelände. Die Kapazitäten der Tanks sind jedoch bald erreicht und es gibt bislang keine praktikable Lösung, was mit den großen Mengen radioaktivem Abfall langfristig geschehen soll. Mehr

Fukushima-Arbeiter sollen an Langzeit-Studie mitwirken

Tepco-Arbeiter am havarierten Atomkraftwerk Fukushima-Dai-ichi, Foto: Tepco

Mit einer Langzeitstudie sollen die gesundheitlichen Auswirkungen der Fukushima-Arbeiter der ersten Stunde untersucht werden. Durchgeführt wird das Forschungsprojekt von der Radiation Effects Research Foundation (RERF) in der Präfektur Hiroshima, einer gemeinsamen Einrichtung der USA und Japans für die Untersuchung der japanischen Atombombenopfer. Die Studie soll im April beginnen und sich auf die 20.000 Arbeiter konzentrieren, die unmittelbar nach der Atomkatastrophe vor allem kontaminierten Schutt „zur Seite schaffen“ mussten. Die Forschungsinstitution hofft, dass sich die betroffenen Strahlenopfer bereiterklären, an der epidemiologischen Langzeitstudie mitzuwirken. Die Untersuchungen der Liquidatoren von Tschernobyl zeigten massive gesundheitliche Beeinträchtigungen und erhöhte Raten an Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie zahlreiche andere strahleninduzierte Krankheiten.