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Fukushima-Newsletter vom 11.07.2015

Sehr geehrte Damen und Herren,

vier Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe von Fukushima sieht sich mittlerweile sogar die atomfreundliche Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) gezwungen, die Sicherheitsvorkehrungen der japanischen Behörden zu kritisieren. Zudem wollen wir diesen Monat in unserem Newsletter einen Schwerpunkt auf die Menschen legen, die aus den stark verstrahlten Gebieten evakuiert wurden und durch die Atomkatastrophe ihre Heimat verloren haben. Ihr physischer und psychischer Gesundheitszustand ist weiterhin besorgniserregend und nun gibt die Betreiberfirma TEPCO auch noch bekannt, Kompensationszahlungen an die Evakuierten demnächst drastisch reduzieren zu wollen. Neben den evakuierten Menschen ist aber auch die gesamte Gesellschaft von den Folgen der Atomwirtschaft betroffen. Ein massives Problem stellt die Entsorgung des Atommülls dar – in Japan ebenso wie in Deutschland. Atomkraftgegner bestehen in Deutschland auf einer vernünftigen Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Frage, wo die radioaktiven Abfälle einmal bleiben sollen. Auch aus der Grundlagenforschung um die gesundheitlichen Folgen ionisierter Strahlung gibt es neues zu berichten: Eine sehr aufwändige internationale Studie belegt ein erhöhtes Leukämie-Risiko für Arbeiter in der Nuklearindustrie. Wir hoffen wie immer, Ihnen in diesem Newsletter wieder ein breites Spektrum an interessanten Themen anbieten zu können und verbleiben

Mit freundlichen Grüßen

Henrik Paulitz und Dr. Alex Rosen

Neuer IAEO - Bericht zu Fukushima

„Yukiya Amano 2010“ von U.S. State Department - http://www.state.gov/r/pa/ei/pix/140249.htm (cropped version). Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Yukiya_Amano_2010.jpg#/media/File:Yukiya_Amano

Im Mai 2015 übermittelte die Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) einen neuen Bericht über die Atomkatastrophe in Fukushima an ihre Mitgliedsstaaten. IAEO-Generaldirektor Yukiya Amano räumte in diesem Zusammenhang ein, dass die von General Electric entwickelten Siedewasserreaktoren „gewisse Schwächen im Kraftwerksdesign“ aufwiesen. Hinzu gekommen seien Defizite in der Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr sowie Planungsmängel bei der Vorbereitung auf einen schweren Atomunfall. Zudem sei die „Vorsorge für einen Atomunfall in Verbindung mit einer großen Naturkatastrophe“ unzulänglich gewesen, so Amano. Dem IAEO-Bericht zufolge bestehen erhebliche Unsicherheiten darüber, welchen Strahlendosen die japanische Bevölkerung zu Beginn der Atomkatastrophe ausgesetzt wurde. Weiterlesen

Außerdem:

55.000 Evakuierten soll Kompensation gestrichen werden

Zweidrittel der Menschen, die aufgrund der Atomkatastrophe aus Fukushima evakuiert werden mussten, haben Mitglieder mit physischen oder psychischen Gesundheitsproblemen.

Den Menschen, die aufgrund der Atomkatastrophe aus Fukushima evakuiert werden mussten, geht es nicht gut: Zwei Drittel der Familien haben Mitglieder mit physischen oder psychischen Gesundheitsproblemen. Das ergibt sich aus einer offiziellen Studie der Präfektur Fukushima, an der sich etwa ein Drittel aller angeschriebenen Evakuierten beteiligten. Die Evakuierten geben u.a. an, unter Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen und Müdigkeit zu leiden.
Jetzt sollen die Evakuierten, die zum Teil weiterhin in behelfsmäßigen Notunterkünften ein tristes Dasein fristen, auch noch finanziell wesentlich schlechter gestellt werden. Derzeit zahlt der Atomkonzern TEPCO knapp 80.000 Evakuierten noch 100,000 Yen (745 Euro) pro Monat. Demnächst sollen diese Zahlungen für 54.800 der Evakuierten eingestellt werden. TEPCO’s Begründung: In einem Teil der evakuierten Gebiete sei davon auszugehen, dass durch die Dekontaminationsarbeiten die Strahlenbelastung gesunken sei. Nur rund 24.400 Evakuierte sollen auch in Zukunft noch Kompensationen erhalten.

Weiterlesen:

"Atommüll ohne Ende"

Dekontamation der Böden in Japan, Foto: Ian Thomas Ash

In Japan stellen die großen Mengen an radioaktiv verseuchter Erde, radioaktivem Wasser, sowie die kontaminierten Anlagen des Atomkraftwerks Fukushima Dai-ichi das Land und die Gesellschaft vor große Herausforderungen im Umgang mit diesen Massen an radioaktivem Abfall. Doch auch in den anderen Atomanlagen des Landes türmen sich Berge von ausgebrannten Brennstäben und anderem Atommüll. Ebenso in Deutschland. Auch hier fallen durch die Atomindustrie trotz Ausstiegsplänen jedes Jahr weiter große Mengen an Atommüll an, die für hunderttausende von Jahren sicher deponiert werden müssen.
Am 20. Juni 2015 veranstaltete die Atommüll-Kommission eine „Auftaktveranstaltung“ zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Suche eines Endlager-Standortes für hochradioaktive Abfälle. Bürgerinitiativen kritisierten die Veranstaltung als „Beteiligungs-Simulation“. Parallel zur offiziellen Veranstaltung fand daher in Berlin die Tagung „Atommüll ohne Ende – Teil 2“ der Anti-Atom-Initiativen statt. Auf der Tagung plädierte der ehemalige Bundestagsabgeordnete Reinhard Ueberhorst für eine demokratische Atommüllpolitik. Er forderte eine echte Einbindung der Öffentlichkeit in die Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse. Dies sei mit der Arbeit der „Endlagerkommission“  nicht gegeben, da dort eine gesellschaftliche Verständigung nur drehbuchmäßig „simuliert“ werden würde. Gespannt dürften auch die Menschen in Japan und anderen Atomstaaten auf die Ereignisse in Deutschland blicken, welches eine gewisse Vorbildfunktion für andere Länder haben dürfte, die den Atomausstieg ebenfalls noch vor sich haben. Dieser übergeordneten Verantwortung müssen wir uns als Gesellschaft bewusst werden.

Weiterlesen im Strahlentelex: „Atommüll ohne Ende

Leukämierisiko von Nuklear-Arbeitern

Eine neue, im "The Lancet" veröffentlichte Studie belegt ein erhöhtes Leukämie-Risiko für Arbeiter in der Nuklearindustrie.

Eine neue und sehr aufwendige internationale Studie, die im Juni 2015 in der angesehenen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde, belegt ein erhöhtes Leukämie-Risiko für Arbeiter in der Nuklearindustrie. Die Arbeit mit dem Titel „Ionising radiation and risk of death from leukaemia and lymphoma in radiation-monitored workers“ basiert auf Gesundheitsdaten von gut 300.000 Nuklear-Arbeitern aus drei Industrieländern. Nahezu 22% der Personen waren laut Studie nach durchschnittlich 27 Jahren als strahlenüberwachte Nuklear-Arbeiter gestorben, 3% davon an Leukämien. Die durchschnittliche Lebenszeitdosis nach diesen 27 Jahren lag bei 16 mGy. Die Studie ermittelte für die zusätzliche Sterblichkeit an Leukämie (ohne CLL) einen Risikofaktor von rund 4,19/Gy (ERR, 90% CI 1,42 – 7,80). Das Risiko (ERR) wurde somit um 117% höher ausgewiesen als in einer vorherigen Arbeit („15-Länder-Studie“). Der britische Strahlenschutzexperte Ian Fairlie betont, dass in der neuen Studie das Risiko sehr viel präziser bestimmt wurde als zuvor. Die Studie stützt zugleich das LNT-Modell (Linear no-threshold model), wonach es einen linearen Zusammenhang zwischen Strahlendosis und Erkrankungsrisiko bzw. Mortalität ohne Schwellendosis gibt.

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