Am 6. August 1945 detonierte über Hiroshima die Atombombe „Little Boy“ und verwandelte die Stadt in ein brennendes Inferno. Drei Tage später, am 9. August 1945, erlitt Nagasaki das selbe Schicksal. Zehntausende Menschen starben noch am Tag der Explosionen, knapp 200.000 bis Ende des Jahres. Weitere Hunderttausende Menschen blieben ihr Leben lang gezeichnet – durch Verletzungen, Verbrennungen, den Folgen der Strahlenexposition, dem Verlust von Familienmitgliedern und Heimat, dem Trauma und der Stigmatisierung. Die Bombardierungen von Hiroshima und Nagasaki, deren 70. Jahrestag wir diesen August begehen, haben sich wie kein anderes Ereignis in das kollektive Gedächtnis Japans eingebrannt.
Umso erstaunlicher ist es, dass Japan heute eine der größten und mächtigsten Atomindustrien der Welt hat. Das sogenannte Nuclear Village (Nukleares Dorf), wie die japanische Atomlobby auch genannt wird, übt in Japan seit vielen Jahrzehnten maßgeblichen Einfluss auf Politik und Gesellschaft aus, ist eng verbandelt mit der regierenden Partei und die wohl einflussreichste wirtschaftliche Lobbygruppe im Land. Wie es dazu kommen konnte, dass sich ein Land, das so massiv unter den Folgen der militärischen Atomindustrie gelitten hat, dazu entscheidet, die zivile Atomindustrie zum Rückgrat seiner Wirtschaft zu machen, ist eine Frage, die wir diesen Monat mehrere unserer japanischen Kontakte gestellt haben.