Atomenergie-Newsletter vom 13. Februar 2025
Liebe Freundinnen und Freunde,
für dieses Jahr plant EDF in Zusammenarbeit mit dem französischen Militär die ersten Tests zur Herstellung von Tritium für die Erneuerung der französischen Atomsprengköpfe in den beiden Reaktoren des AKW Civaux. Und: Kurz vor Ende 2024 ging in Frankreich erstmals seit 25 Jahren ein neuer Reaktor ans Netz, nach 17 Jahren Bauzeit, mit 12 Jahren Verspätung und für 23,7 Milliarden Euro - über 20 Milliarden mehr als ursprünglich veranschlagt. Das war dem französischen Rechnungshof zu viel, und nun sind die Neubaupläne für sechs weitere AKW vorerst gestoppt, bis die Ertragszahlen von Flamanville vorliegen. Wer also am Zusammenhang zwischen ziviler Atomenergie und Atomwaffen zweifelt oder eine AKW-Renaissance am Horizont zu erkennen glaubt, dem sei ein Blick nach Frankreich empfohlen. In Deutschland stritten sich derweil zwei Kanzlerkandidaten im TV-Duell über die Atomkraft, obwohl 2025 das zweite volle Jahr ohne deutsche Atomstromproduktion seit 1962 bevorsteht und die erneuerbaren Kapazitäten den Atomstrom hierzulande längst überkompensiert haben. Wir bleiben dran!
Viel Vergnügen beim Lesen und Weiterempfehlen wünscht
Patrick Schukalla
Kurz vor der Bundestagswahl ist das Thema Atomkraft nach einem kurzen Wahlkampfgetöse Ende letzten Jahres plötzlich wieder präsent. Mit unterschiedlicher Intensität sprechen sich einige Parteien für einen Wiedereinstieg in die Atomkraft aus oder wollen sich zumindest die Option Atomkraft offen halten und zeigen damit den unbedingten Willen, auf die aufmerksamkeitsökonomische Kraft des Themas Atomkraft im Wahlkampf nicht verzichten zu wollen. Da ist die Rede von der praktisch unmöglichen Wiederinbetriebnahme der letzten deutschen AKW, von der unbegründeten Behauptung, Versorgungssicherheit brauche Atomkraft, da werden völlig unerprobte neue AKW-Generationen, Small Modular Reactors und sogar die Kernfusion als Lösungen angepriesen und Unwahrheiten über die Rolle der Atomkraft im Rest der Welt und beim Klimaschutz behauptet.Was man den sieben gängigsten Atommythen entgegensetzen muss, ist hier zusammengefasst.
Es bleibt wichtig, an die Risiken von Atomunfällen zu erinnern und die Opfer von Atomkatastrophen nicht zu vergessen. Ein kürzlich im Bulletin of the Atomic Scientists veröffentlichter Artikel befasst sich ausführlich mit den Ergebnissen des japanischen Wissenschaftlers Satoshi Utsunomiya, der in Luftproben, die wenige Tage nach der Atomkatastrophe von Fukushima in Tokio genommen wurden, eine sehr hohe Konzentration von Cäsium-Mikropartikeln festgestellt hatte. Seine Studie wurde jedoch jahrelang nicht veröffentlicht.
39 Jahre nach Tschernobyl und 14 Jahre nach Fukushima erinnert die IPPNW erneut mit einer ganzseitigen Anzeige an die gesundheitlichen Gefahren der Atomenergie. Noch bis zum 2. März kann die diesjährige Fukushima-Anzeige unterzeichnet werden. Danke an alle Unterstützer*innen!
Wenige Tage nach der Ankündigung der Stadt Ahaus, sich nicht weiter gerichtlich gegen die Einlagerung von Atommüll aus Jülich im Zwischenlager Ahaus zu wehren, ruft ein Anti-Atom-Bündnis für den kommenden Samstag zu einer Demonstration vom Bahnhof zum Rathaus auf. Sie kritisieren weiterhin die geplante unnötige Verlagerung von 152 Castoren mit rund 300.000 hochradioaktiven Brennelementkugeln aus dem Forschungszentrum Jülich. Erfreulich ist, dass der Leistungsbetrieb des belgischen Atomkraftwerks Doel 1 einen Tag vor der Demo eingestellt werden soll, Doel 2 und Tihange 1 sollen im Herbst folgen. Die Abschaltungen bedeuten auch weniger Uranexporte aus den Atomfabriken in Gronau und Lingen. Die Initiativen richten sich aber weiterhin gegen die geplanten Laufzeitverlängerungen für Doel 4 und Tihange 3 sowie gegen neue belgische AKW-Projekte.
Das AKW Leibstadt ist am 15. Dezember 2024 nach 40 Betriebsjahren in den Langzeitbetrieb übergegangen. Entgegen ihrer rechtlichen Verpflichtung will die Schweiz keine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen. Die IPPNW/PSR in Deutschland und der Schweiz hatten sich bereits im Dezember mit einem Appell gegen die faktische Laufzeitverlängerung gewandt. Inzwischen klagen 15 Anwohner*innen des AKW und fordern nun vor Gericht ihre Mitspracherechte ein. Greenpeace, die Schweizerische Energie-Stiftung und der Trinationale Atomschutzverband (TRAS), dem auch die IPPNW angehört, begleiten den Prozess und dokumentieren ihn öffentlich auf einer eigens eingerichteten Webseite.